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Latest Hoax: Terroristen zielen mit Jumbo auf Münchener U-Bahnhof

Vor solchen, oder solch ähnlichen Meldungen scheint die MVG eine riesige Angst zu haben.

Steff hat heute auf der Wiesn im Einzugsbereich des U-Bahnhofs Theresienwiese fotografiert. Dies veranlasste einen Mitarbeiter der U-Bahnwache - ausgesprochen freundlich, wirklich! - sie zu bitten, das letzte Foto zu löschen, mit Hinweis auf Persönlichkeitsrechte. Da er nicht wirklich wissen konnte was sie fotografiert hatte, sowieso nicht auf dem Foto zu sehen war und auch sein Kollege nur von hinten und das Hauptmotiv der reflektierende Schriftzug "U-Bahnwache" (Beispiel via flickr) war, ist das natürlich erstmal kompletter Blödsinn. Steff hat das Foto um keinen Stress zu verursachen sofort gelöscht und ihm die Kamera zur Beurteilung hingehalten, was ihn natürlich total überfordert hat (wen nicht).
Die ganze Aktion ist umso sinnloser, als man ohne Probleme das gelöschte Foto jederzeit restaurieren kann. So etwas habe ich dutzende Male gemacht.
Meiner Feststellung, dass er sich wohl nicht mit mir über Persönlichkeitsrechte in Bezug auf Videoaufzeichnungen und Speicherzeiten von Überwachungskameras in Bahnhöfen und U- und S-Bahnzügen unterhalten will, hat er zugestimmt, also haben wir das gelassen. :-)

Nachdem er noch etwas von Beförderungsbestimmungen und Hausrecht gesagt hat, habe ich ihn dann ebenso freundlich daraufhingewiesen, dass wir uns auf öffentlichem Grund befinden, die MVG gar kein Hausrecht hat und selbst wenn, öffentliche Verkehrsmittel ja die Öffentlichkeit beinhalten, wenn wir also niemanden belästigen oder den Betrieb stören es keinerlei Grund gäbe das (private) Foto zu unterbinden.

Da musste dann ein anderer Kollege anrücken, der uns nochmal auf die Beförderungsbedingungen verwies, die angeblich überall aushängen, und diese würden Fotografieren verbieten. Wir könnten uns aber - z.B. per Internet - an die Pressestelle wenden und offizielle Pressefotos erhalten. Dann hat er auch etwas von Persönlichkeitsrechten gebrummelt. Ich habe daraufhin gefragt, wie er auf die Idee kommt, ein öffentliches Gebäude hätte Persönlichkeitsrechte, was ihn veranlasste das Thema zu wechseln zu: "Im übrigen ist das ein Sicherheitsrisiko, gerade seit damals". Auf die Frage, was er denn mit "damals" meine, antwortete er "Ich sag jetzt nicht Türme". Ich konnte mir dann ein "Das ist nicht Ihr Ernst, oder?" nicht verkneifen, was er mit einem "Das sehen Sie vielleicht anders, für mich hat das einen hohen Sicherheitswert" beantwortete. Auch bei der Frage nach dem Hausrecht konnten wir uns nicht wirklich einigen, denn er konnte keine klaren Angaben darüber machen, wo denn nun der Grenzverlauf ist. Seiner Meinung nach ist dieser auf Höhe der Entwerter - tja, also hätten wir nur einen Meter zurück gehen müssen.

Liebe MVG,

  • es wäre echt Klasse, wenn ihr akzeptieren würdet, dass niemand, der einen IQ überhalb dem eines Laubfrosches hat, diesen ausgemachten Vollblödsinn von wegen Terrorbedrohung glaubt, auch nicht wenn ihn unser Noch-Innenminister Schäuble permanent anpreist.
  • wieso sollte ein Terrorist so dämlich sein und mit einem Jumbo auf den Eingang eines U-Bahnhofs zielen, wenn er mit ein paar Bierzelten als Ziel ein ungleich größeres Massaker anrichten kann oder wenn es auch eine Bombe in einem Mülleimer tut.
  • Terroristen machen Fotos von möglichen Zielen ganz offen, mit einem großen und gut sichtbaren Fotoapparat, nachts, wenn es dunkel ist, während der Wiesn, inmitten von 700 Polizisten und zu einer Zeit, zu der im Eingang des U-Bahnhofs an die 10 MVG-Bahnwachen, links und rechts an die 20 Leute diverser Wiesnzelt-Security-Firmen und im Rücken eine Gruppe Beamter einer Einsatzhundertschaft der Polizei stehen. Schon klar.
  • ihr scheint zu glauben, dass ein Foto des Eingangs eines U-Bahnhofs für die Vorbereitung eines Terroranschlages hilfreich ist. Vor allem, wenn man - wie wir - über eine Profifotoausrüstung verfügt (ich hätte mir beinahe in die Hose gemacht, vor unterdrücktem Lachen). Wenn das wirklich euer voller Ernst ist, dann solltet ihr die Leute, die bei euch für Sicherheit zuständig sind, schleunigst rauswerfen und durch Leute ersetzen, die etwas von Sicherheit verstehen und nicht mehr an den bösen Märchenwolf glauben. Vielleicht würden die neuen Leute dann ja auch dafür sorgen, dass Notrufsäulen funktionieren und nicht 5 Jahre lang als funktionsunfähige Attrappe rumstehen und deswegen unschuldige Menschen mit Zivilcourage totgeprügelt werden können, ohne dass Hilfe kommt.
    Berichtigung: Danke an Flo für den Hinweis in den Kommentaren. Für die fraglichen Nicht-Notrufsäulen ist nicht die MVG zuständig, sondern die Deutsche Bahn (DB) oder die Bayerische Oberlandbahn (BOB), die sich uneinig sind wer denn nun [merkur-online][Abendzeitung][MVV-Blog]. Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) kümmert sich darum.
  • oh, und wir haben den ganzen Nordausgang des U-Bahnhofs "Josephsplatz" abgesucht, da sind keine Beförderungsbedingungen zu finden, nur Tarifinformationen. Was es gibt ist eine Hausordnung, aber da steht nichts darüber, dass man nicht fotografieren darf.
    Auch im Internet habe ich nichts gefunden (auch nicht mit deren Suche), außer dem Hinweis, dass man für kommerzielle Aufnahmen eine Erlaubnis braucht. Private Schnappschüße lägen im "Ermessen unseres Betriebspersonals". Nett, dass ihr das gerne so hättet, aber auch hier liegen zwischen "gerne haben" und "rechtlich bindend" erst einmal Welten.
  • bezüglich des Hausrechts ist es wohl essentiell, dass auf einer öffentlichen Fläche jederzeit erkennbar ist, wo sie endet und wo die MVG glaubt, ab diesem Punkt ein Hausrecht zu haben. Diese klare Kennzeichnung existiert nicht. Ich fordere die MVG hiermit auf dies sobald als möglich klar zu kennzeichnen, da ich vermeiden möchte in Zukunft ungewollt das (fiktive?) Hoheitsgebiet der MVG zu betreten.

Nachdem ich aber heute von MVG-Mitarbeitern gelernt habe, dass die Einrichtungen der MVG total unsicher sind und schon durch einen Fotoapparat in höchstem Maße gefährdet werden können, werde ich die MVG auch weiterhin meiden, wo es nur irgendwie geht.


Natürlich ist mir klar, dass die Mitarbeiter der U-Bahnwache nichts für den ausgemachten Schwachsinn können, den sich andere Leute ausdenken. Deshalb möchte ich ausdrücklich erwähnen, dass die Mitarbeiter des MVG niemals unfreundlich oder gar aggressiv aufgetreten sind und das Gespräch völlig entspannt abgelaufen ist.
Auch den vielen Menschen der MVG, die (seit Jahren) den ganzen Tag die an- und abfahrenden (betrunkenen) Passagiere freundlich und teilweise auch unterhaltend, aber dennoch bestimmt und auf Sicherheit bedacht, aus und in die U-Bahnzüge dirigieren und befördern, möchte ich meinen Dank und meine Hochachtung ausprechen. Sie vermittlen ein sehr freundliches und positives Image für unsere Stadt München.

Nudelholz

Dyfa hat ein Stöckchen Nudelholz nach mir geworfen. Das tut ganz schön weh, denn es ist ein schweres Nudelholz. Wie der Name schon erkennen läßt geht es um Pasta. Um es ein kleines bißchen einfacher zu machen, lasse ich mal alles was mit asiatischen Nudeln/Gerichten zu tun hat weg. :-)

Welche Pastavariante magst du am liebsten?

Primär hängt die Antwort von der zweiten Frage ab. Hauptsächlich kommen aber drei Nudelsorten zum Einsatz: Mafaldine, Bavete und Fusili.

Und welche Sauce oder Zubereitungsart?

  • die Fusili verwenden wir in einem Rezept, das Steff mitgebracht hat: Blubb-Spinat und Gorgonzola-Blattspinat mischen, Knoblauch, Pfeffer und Muskatnuß dazu, mit den Fusilli vermischen, dazu Fischstäbchen
  • die Bavete verwende ich für alle "mit eingedickter Soße"-Gerichte, also quasi als Spaghetti-Ersatz und dann am liebsten mit Pesto Genovese oder mit einer Soße aus Tomaten, Knoblauch, Zwiebeln und Garnelen.
  • die Mafaldine nehmen durch den geriffelten Rand ganz besonders gut die Soße auf. Lieblingsrezept: Zwiebeln, Knoblauch, Pfifferline, viel grüner Pfeffer, geschnetzelte Hähnchenbrust in einer Weißwein-Sahnesoße

Und ja, ich denke die Mafaldine mit Geschnetzeltem sind dann auch mein Favorit.

Spherble I - Spinne oder Fliege

Spinne oder Fliege?

Eine wohl berechtigte Frage in Zeiten des Internet, World Wide Web (WWW) und massiv steigender Zahlen diverser, in sich geschlossener, Social Networks.
Bist Du die Spinne, die ein Netz webt, sich darin bewegt und die Daten kontrolliert, oder bist Du die Fliege, gefangen im Netz der Spinne ohne Kontrolle über Deine Daten?

Geschichtlicher Hintergrund

In den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrtausends hatte man nur geringe Chancen jemanden online zu treffen, der in einem anderen Land wohnte oder bei einer anderen Mailbox (BBS) angemeldet war.
Sorry an Tim Berners-Lee, für die Anlehnung an das berühmte Zitat:

Anyone who slaps a 'this page is best viewed with Browser X' label on a Web page appears to be yearning for the bad old days, before the Web, when you had very little chance of reading a document written on another computer, another word processor, or another network.

-- Tim Berners-Lee in Technology Review, July 1996

Mit der Verbreitung des Internet und vor allem Anfang der 1990er Jahre mit der Erfindung und Etablierung von HTTP und HTML - und damit mit der Geburtsstunde des World Wide Web - hat sich dies grundlegend geändert.
Alle Informationen weltweit sind plötzlich nur noch einen Klick entfernt, internetweit vernetzte Chatsysteme wie der Internet Relay Chat (IRC) ermöglichen durch verbundene Server Echtzeitkommunikation ohne Grenzen und "Free Webspace" (geocities, einer der größten und bekanntesten Anbieter der 90er Jahre und später von Yahoo übernommen, schließt Ende Oktober 2009 seine Pforten) gibt jedermann die Chance eigene Informationen ins Internet zu stellen. Die erste Internet Bibliothek (WWW Virtual Library) versucht über gepflegte Linksammlungen einen zentralen und geordneten Einstiegspunkt zu Wissen zu etablieren.

Gleichzeitig existiert quasi parallel zum Web ein System names Usenet. Beschreiben läßt es sich vielleicht als vielfach repliziertes, hierarchisches Forensystem. Es gibt eine riesige Menge sogenannter Newsserver, die sich gegenseitig synchronisieren, die in unzähligen Gruppen zu den verschiedensten Themen eingestellten Artikel replizieren und somit die eher knappen WAN Ressourcen optimal nutzen. Der eher chaotisch anmutenden Struktur liegen in weiten Teilen demokratisch organisierte Regeln zugrunde, die dem System zusätzlich soziale Stabilität verleihen.

Sehr schön umgesetzt ist außerdem das Prinzip "divide et impera" ("teile und herrsche"). Der Ausfall eines oder mehrerer Knoten hat so gut wie keinen Einfluß auf die Verfügbarkeit des Gesamtsystems.

Durch die tausendfache Replikation ist damit wohl auch der maximale Grad an Offenheit der eingestellten Informationen erreicht. Auch wenn jeder Artikel einen weltweit eindeutigen Identifikator hat, der eine Löschung von Artikeln erlaubt, gibt der Verfasser prima face jegliche Kontrolle über die von ihm eingestelle Information erst einmal auf. Ein Prinzip, das später wiederentdeckt wird, im World Wide Web als "Streisand-Effekt" bekannt ist und durch tausendfache Replikation verhindern soll, dass Daten einfach gelöscht werden. Gegen eine Person vorzugehen mag noch Erfolg haben, etwas gegen Tausende weltweit durchzusetzen ist so gut wie unmöglich.

Heute würde man diese Artikel wohl mit einer (nichtkommerziellen) Creative Commons Lizenz attributieren. Dennoch gehen aus der Sammlung dieser Daten einige kommerzielle Projekte hervor, das bekannteste ist wohl die aus der Newsgruppe rec.arts.movies (via Google)hervorgegangene Internet Movie Database (IMDb). Zuerst werden die Artikel zu Filmen nur umformatiert und für HTML aufbereitet, später zur Kostendeckung mit Werbung versehen und danach - nicht zuletzt aus rechtlichen Gründen - in eine Firma überführt. Ein weiteres bekanntes Projekt ist die Buchausgabe der in der Newsgruppe rec.humor.funny (via Google) zusammengestellten Artikel.

Aus Platzgründen (Plattenplatz ist noch sehr teuer) werden die Artikel auf den Servern oft nur 2-4 Wochen vorgehalten, so dass ein gewisser Kontrollverlust die meisten Benutzer nicht weiter stört oder gar als Problem angesehen wird. Zudem ist der Anteil an persönlichen Daten, die über das System verteilt werden, bestenfalls marginal.
Erst als Deja News und - nach der Übernahme - Google komplette, über viele Jahre zurückreichende Archive des Usenet veröffentlicht und durchsuchbar macht, entsteht bei vielen der "alten Hasen" ob der einen oder anderen "Jugendsünde" diesbezüglich ein neues - aber in diesem Fall zu spätes - Bewusstsein.

Massives Anwachsen von Spam und Mißbrauch und vor allem mangelnde Promotion und geringe Unterstützung bei Massen-ISPs sorgen für eine Abwanderung aus dem Usenet und eine Tendenz hin zu webbasierten Standalone-Forensystemen. Doch auch diese werden von den Spammern sehr schnell als lohnende Ziele ausgemacht, was zu Benutzerregistrierungen und in diesem Zusammenhang auch geschlossenen (selbst zum Lesen anmeldungspflichtigen) Foren führt.

Dies ist die Geburtsstunde der Communities, was aufgrund von Uneinigkeit über Regeln und Machtgelüsten/-kämpfen der Administratoren und Initiatoren sehr schnell dazu führt, dass laufend viele themengleiche aber konkurrierende Communities entstehen - und auch wieder sterben.

Pappnasen-Manifest

Jetzt gibt es also ein Internet-Manifest oder "Wie Journalismus heute funktioniert. 17 Behauptungen". Verfasst und unterzeichnet haben es 15, oft so genannte Alpha-Blogger, von denen ich gerade mal drei dem Namen nach kenne und mich erinnern kann von zweien bewusst etwas gelesen zu haben. Das Blog von einem von ihnen hatte ich sogar einmal abonniert, aber irgendwie konnte ich mit dem von mir undifferenziert empfundenen Nachgeplappere wenig anfangen.

Wie es sich für eine unabhängige, selbständige Gemeinschaft mit eigener Meinung gehört, schwang sofort großes Frohlocken und Hosianna-Singen durch die ganze Blogosphere und führte damit die These 16 gleich einmal ad absurdum. Aber so ist es nun einmal, wenn die Alpha-Tierchen blöken, folgt die Herde.

Einzig Besim Karadeniz habe ich bisher gefunden, der sich auf netplanet.org in "Ein Internet-Manifest." ansatzweise kritisch äußert.
Update:

Verfasst man ein Manifest, spielt man in einer hohen Liga. Zur Begrifflichkeit des Manifests sagt die deutsche Wikipedia:

Ein Manifest (lat.: manifestus, „handgreiflich gemacht“) ist eine öffentliche Erklärung von Zielen und Absichten, oftmals politischer Natur.

In der mit "Internet-Manifest" bezeichneten Veröffentlichung findet sich weder das eine noch das andere. Es ist eine mehr oder weniger zusammenhanglose, sich teilweise wiederholende Aneinanderreihung von Über- und Unterschriften - der Begriff "Manifest" ist also völlig unpassend (aber, "die Domain war noch frei"). Begriffe scheinen überhaupt nicht die Stärke der Verfasser zu sein, denn Internet, Web, Blog und Medien werfen sie wild durcheinander und beim Begriff Journalismus scheinen ihre und meine Meinung auseinanderzugehen.

Werfen wir doch einen genaueren Blick auf die einzelnen Aussagen:

Die 17 Phrasen

1. Das Internet ist anders.
Es schafft andere Öffentlichkeiten, andere Austauschverhältnisse und andere Kulturtechniken. Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen. Sie haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln - das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.

"Draussen ist es kälter als nachts." Anders also - anders als was? Gleich die erste Phrase eine Nullaussage. Vermutlich meinen sie, dass das Internet ein ganz anderes Medium sei als die herkömmlichen. Aber zum einen stimmt das nicht und zum anderen müssen sich die anderen Medien nicht ändern, denn das können sie nicht. Ein Buch verwandelt sich nicht mal eben so in ein E-Book, aus einer gedruckten Zeitung wird nicht eben mal irgendwas mit einem Flash-Plugin auf der Frontseite - und nebenbei will das glaube ich auch niemand - und im Radio kann ich nicht eben mal einen Hyperlink anklicken. Damit der Satz einen Sinn ergibt müsste wenn schon statt "Medium" der Begriff "Mensch" stehen.

"Neue Öffentlichkeiten" - in der Theorie ja. Dazu gehört aber auch, dass irgendjemand es wahrnimmt. Dass das nicht so einfach passiert ist ein Problem, dem ganze Herden von SEOs Herr zu werden versprechen, also ein reines PR Problem und das haben die anderen Medien auch.
"Andere Austauschverhältnisse" - ein in diesem Zusammenhang völlig nichtssagendes Buzzword.
"Andere Kulturtechniken" - ein erneutes Buzzword ohne weitere Erklärung. Es ist zu vermuten, dass es um die Beherrschung von Informations- und Kommunikationstechnologien gehen soll. Auch diese sind nicht grundsätzlich Internet-relevant und nicht vom Internet geschaffen. Zumal läßt die Geschwindigkeit des Technologieumschwungs es als zweifelhaft erscheinen, ob diese Techniken von Dauer und damit wirklich kulturbeeinflussend sind.

So anders ist das Internet als (Transport-)Medium also gar nicht. Im Internet ist der generelle Informationsfluß schneller. Ich bin nicht darauf angewiesen, dass jemand eine Nachrichtensendung zu einer bestimmten Uhrzeit sendet oder dass der Austräger morgens die Zeitung bringt. Ich kann den Zeitpunkt besser selbst bestimmen. Der Verbreitungsgrad ist grösser. Informationen können unabhängig vom Ort der Veröffentlichung sofort fast überall auf der Erde abgerufen werden und jeder kann Informationen einstellen. Ich kann nicht nur mit meiner Familie, Freunden, Arbeitskollegen oder am Stammtisch, sondern ebenfalls mit Leuten diskutieren, die ich überhaupt nicht kenne.
Dies sind aber Details, die nicht einen wesentlichen oder gar grundlegenden Unterschied zu herkömmlichen Medien definieren.

2. Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche.
Das Web ordnet das bestehende Mediensystem neu: Es überwindet dessen bisherige Begrenzungen und Oligopole. Veröffentlichung und Verbreitung medialer Inhalte sind nicht mehr mit hohen Investitionen verbunden. Das Selbstverständnis des Journalismus wird seiner Schlüssellochfunktion beraubt - zum Glück. Es bleibt nur die journalistische Qualität, die Journalismus von bloßer Veröffentlichung unterscheidet.

Das Internet ist kein Imperium. (Noch) wird es von niemandem (zentralistisch) regiert.
Oh, und jetzt ist plötzlich die Rede vom Web und nicht mehr vom Internet. Eine weitere Verwirrung. Das Internet ist nicht das Web ist nicht die Blogosphäre ist nicht ein Social Network ist nicht die Blogosphäre ist nicht das Web ist nicht das Internet.
Das Internet und die darüber angebotenen Dienste mögen zu einer Aufweichung bestehender Oligopole geführt haben, aber dafür wurden auch jede Menge neue geschaffen: Google (diverse Dienste), Youtube, Flickr, Facebook, Twitter, XING, ... Da ist wieder das Thema SEO. Findet man etwas nicht bei Google, existiert es nicht. Ist man nicht Teil von <Insert Social Network here> ist man ausgeschlossen. Hat man nicht das richtige DRM-System geht gar nichts.
Wichtig ist hier zwischen Internet und Diensten zu unterscheiden.
Gerade unter dem Vorzeichen der Netzneutralität gewinnen diese neu geschaffenen Oligopole eine wichtige Bedeutung.

3. Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet.
Für die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt gehören Angebote wie Social Networks, Wikipedia oder Youtube zum Alltag. Sie sind so selbstverständlich wie Telefon oder Fernsehen. Wenn Medienhäuser weiter existieren wollen, müssen sie die Lebenswelt der Nutzer verstehen und sich ihrer Kommunikationsformen annehmen. Dazu gehören die sozialen Grundfunktionen der Kommunikation: Zuhören und Reagieren, auch bekannt als Dialog.

Das Internet ist aber nicht die westliche Welt. Das Internet ist weltumspannend und interkulturell und schon gar nicht orientiert es sich an Staatsgrenzen, sehr zum Ärger von Politikern und Möchtegern-Blockwarten weltweit. Selbst wenn man den globalen Charakter außer acht läßt, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen einer Gesellschaft und Kultur im Internet und der im nicht-Internet Lebensraum. (Ich schreibe mit Absicht nicht "im realen Leben", weil beides Bestandteile meines realen Lebens sind). Das sieht man sofort am Umgang miteinander. Dass dies fatalerweise auch die Menschen im Internet so sehen zeigt sich z.B. am eher sorglosen Umgang mit persönlichen Informationen im "anonymen" Medium.
Das Internet hat in Ländern wie Korea einen ganz anderen Stellenwert als in Europa und beide unterscheiden sich wesentlich vom Stellenwert im Iran. Und trotz der gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede und der anderen Bewertung sind alle in einem einzigen Internet zusammengeschlossen.

4. Die Freiheit des Internet ist unantastbar.
Die offene Architektur des Internet bildet das informationstechnische Grundgesetz einer digital kommunizierenden Gesellschaft und damit des Journalismus. Sie darf nicht zum Schutz der wirtschaftlichen oder politischen Einzelinteressen verändert werden, die sich oft hinter vermeintlichen Allgemeininteressen verbergen. Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährden den freien Austausch von Informationen und beschädigen das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.

Offene Architektur des Internet? Informationstechnisches Grundgesetz? Wieder einmal inhaltsleere Buzzwords. Ein Verständisversuch wird erschwert dadurch, dass Begriffe wie Internet, Web und Blogosphäre schon vorher wild durcheinander gewürfelt wurden.
Die "offene Architektur" des Internet bedeutet, dass wenn ich jemanden finde der meine Pakete von und zu mir transportiert, ich Teil des Internet werde und damit theoretisch mit jedem anderen, der die gleichen Voraussetzungen erfüllt, beliebige Daten austauschen kann. Das geht vom Rechner zu Hause über DSL angebunden los und hört bei den grossen Providern und deren Peering-Abkommen auf. Meinen sie das? Anscheinend nicht, oder sie ignorieren komplett bestehende Realitäten. Firewalls, Filter, Zugriffsbeschränkungen, Tarifverträge initiiert von der Staatsgewalt oder der Wirtschaft oder auch nur von Eltern beschränken schon seit langem den Zugriff auf das Internet. In gewissen Grenzen und Fällen ist das auch gut so. Nicht jede "Information" ist für jede Altersstufe geeignet und 6-jährige (alleine) haben nichts im Internet verloren. Nicht jede firmeninterne Information ist für die Allgemeinheit gedacht.
"Internet-Zugangssperren gleich welcher Form" ist bei der gegenwärtigen Diskussion vor allem in Deutschland vielleicht opportun, aber auch komplett kurzsichtig und realitätsfremd.

5. Das Internet ist der Sieg der Information.
Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.

Das Internet ist der Zusammenschluß aller auf dem Internet-Protokoll basierenden internets. Es ist ein Transportmedium und kein Preis.
Dass die Nachrichtenfilter nicht funktionieren, selbst wenn Profis sich darum kümmern, zeigt alleine schon die Spam-Plage. Ich sehe auch nicht, was so schlimm daran sein soll, wenn Profis Informationen ordnen. Genau diese Ordnung bieten aber die Nachrichtenfilter oder die Ergebnislisten der Suchmaschinen nicht und werden zudem laufend torpediert, getrieben von wirtschaftlichen Interessen durch SEOs oder "Meinungsmachern". Wie leicht dies ist zeigen u.a. zahllose "Google Bombs" oder die mittlerweile fast unbrauchbaren Hotelbewertungssysteme.
Die Flut an Informationen in Form von Suchmaschinenergebnissen ist kaum mehr beherrschbar und erfordert zudem immer mehr Zeitaufwand für immer die gleichen Tätigkeiten durch den Einzelnen - verschwendete Zeit von Millionen von Individuen, die zu Lasten ihrer Freizeit geht. Mit einem reinen Ergebnis ist es dann auch nicht getan. Danach ist eine weitere Recherche nötig um sicher zu stellen, dass man nicht einem Möchtegern-Auskenner aufgesessen ist - noch mehr verlorene Zeit.

6. Das Internet verändert verbessert den Journalismus.
Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.

Der "Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten" ist ein sehr zweischneidiges Schwert. Das Positive kann sehr schnell ins Negative umschlagen: Daten werden gelöscht und haben damit angeblich nie existiert oder entstehen plötzlich aus dem Nichts, waren aber scheinbar schon immer vorhanden. Manipulationen gehen dann ganz sauber, fast klinisch rein und ohne Aufmerksamkeit erregende Bücherverbrennungen vor sich.
Nichts, was wir heute haben, schon gar nicht Neuerungen des Informationszeitalters, überdauert die Zeit so zuverlässlich wie in Stein gehauene Hieroglyphen.
Für mich ist die wahre Verbesserung des Journalismus durch die Nutzung des Internets die Tatsache, dass es leichter wird aktuelle Informationen zu neuen Themengebieten zu finden, Kontakte aufzutun und mit diesen und bereits bestehenden Kontakten in Verbindung zu bleiben. Überall, schnell und unkompliziert.

7. Das Netz verlangt Vernetzung.
Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser.

"Links sind Verbindungen" - Respekt, da hat jemand im Englischunterricht aufgepasst.
Diese Phrase ist aber einmal mehr eine Nullphrase. Ein Netz heißt ja gerade deshalb Netz, weil es Knoten mit Querverbindungen versieht. Aber von was für einem Netz ist diesmal die Rede? Das Internet? Zwischenmenschliche / gesellschaftliche Beziehungen?
Warum muß eine Verbindung zu jemandem existieren, um über ihn zu diskutieren. Man kann dann nicht mit ihm diskutieren, aber das will er ja vielleicht gar nicht. Ich suche mir meine Diskussionspartner gerne selbst aus, bevorzugt solche, bei denen zu erwarten ist, dass mich die Diskussion in meinen Ansichten und meinem Verständnis des Themas weiterbringt. Diese Entscheidung halte ich für eines meiner grundlegenden Rechte. Freie Meinung und Entscheidung. Themen aufzuwerfen heißt doch nicht notwendigerweise, dass man sich auch an der Diskussion beteiligen muß oder anderen seine Meinung vorgeben muß.
Sollte es nicht die erste Tugend eines Journalisten sein über Fakten zu berichten und Denkanstöße zu geben ohne den Menschen gleich eine vorgefertigte Meinung zu präsentieren?

8. Links lohnen, Zitate zieren.
Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen langfristig die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.

Ich vermisse bei den Suchmaschinen und Aggregatoren, die ich so kenne, den Knopf für den Filter "nur herausragende Inhalte anzeigen". Vielleicht liegt das daran, dass es recht schwierig ist eine generell gültige Klassifikation für "heraussragend" zu finden oder aber es gäbe dann zu manchen Themen gar keine Ergebnisse. Ein typisches Versäumnis eines Alpha-Tierchens, bei dem per Definition alles eigene "herausragend" ist.
Offensichtlich bewegen wir uns bei dieser Phrase wieder im Web oder der Blogosphäre. Ein "vernetzter Gesellschaftsdiskurs" findet - trotz Verlinkung, Pingbacks oder Trackbacks - dennoch nicht statt. Ganz im Gegenteil, durch die zahllosen Orte (Blogs, Foren), an denen die Meinungen und Kommentare veröffentlicht werden, wird der Diskurs komplett zerfleddert und damit wieder isoliert. Dies bedarf wohl einer Erklärung:Blog A veröffentlicht einen Artikel. In Blog A gibt es dazu einen Diskurs in Form von direkten Kommentaren. Nun schreiben Blog B und Blog C eigene Artikel, die sich mit dem Artikel von Blog A auseinandersetzen. Durch Hyperlinks, Pingback und Trackback werden diese bei Blog A als Kommentare assoziert. Auch in den Blogs B und C entwickelt sich eine Diskussion in Form von Kommentaren zu diesem Thema. Diese Diskussionen sind aber schon nicht mehr mit der Diskussion auf Blog A direkt verbunden. Erweitert man nun die Distanz der Hyperlinks zu Blog A um die Blogs D, E, F und G, die auf die Blogs B und C referenzieren, so wird jedem sehr schnell klar, dass ein vernünftiger Diskurs alleine zu diesem einen Thema - trotz Verknüpfung über Hyperlinks - ausgeschlossen ist.

Noch viel evidenter wird die Zerfledderung und Isolation, wenn die Referenzen aus geschlossenen Benutzergruppen wie Foren oder Social Networks kommen, bei denen man ohne Beitritt keinen, oft nicht einmal lesenden, aber so gut wie nie schreibenden, Zugriff erhält.

Hyperlinks und Zitate stellen im Web in der Tat ein schützenswertes Gut dar. Die Begründung dafür ist falsch.

9. Das Internet ist der neue Ort für den politischen Diskurs.
Demokratie lebt von Beteiligung und Informationsfreiheit. Die Überführung der politischen Diskussion von den traditionellen Medien ins Internet und die Erweiterung dieser Diskussion um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist eine neue Aufgabe des Journalismus.

Richtig wäre: "Das Internet ist ein weiterer Ort für den politischen Diskurs", oder wollen die Unterzeichner technophobe Menschen oder vor allem die ältere Generation oder Menschen ohne geographisch bedingten (schnellen, günstigen) Breitbandzugang vom politischen Diskurs auschliessen? Eine befremdliche Einstellung zur Demokratie. Wie schon bei den Phrasen 5 und 8 gezeigt wird ein Diskurs im Internet immer zeitaufwändiger.

Die Aufgabe des Journalismus soll es also sein Menschen, die derartige Diskussionen lieber bei einem Stammtisch oder anderen Gelegenheiten führen davon zu überzeugen, dass sie das im Internet, dem bevorzugten Medium der Alpha-Tierchen machen sollen, ansonsten sind die undemokratisch? Wie gnadenlos arrogant ist das denn?

10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.
Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.

Das Problem ist nicht die Unterscheidung Meinungsfreiheit oder Pressefreiheit. Das Problem ist die wirtschaftliche und materielle Gefahr, in die sich jeder begibt, der nicht entsprechenden Rückhalt (z.B. durch einen großes Medienhaus) im Hintergrund hat. Je besser (oder naiver) der Journalist und je stärker er die Finger in die Wunden der Gegenüber legt, desto größer wird das Risiko in kostspielige und langwierige juristische Auseinandersetzungen verwickelt zu werden. Zur vordergründigen Abwehr eventuellen Schadens, willigen die Betroffenen oft (und zu Unrecht) in Abmahnungen, Unterlassungserklärungen oder Vergleiche ein. Es ist selbstverständlich, dass bezahlte Journalisten oder Journalisten mit einem zweiten, gut bezahlten Standbein als Werbekaspar "freier" sind, als beispielsweise ein arbeitsloser Amateur-Journalist.

11. Mehr ist mehr – es gibt kein Zuviel an Information.
Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben und bei der Erfindung des Buchdrucks vor einer Flut unüberprüfter Information warnten. Auf der anderen Seite standen Pamphletisten, Enzyklopädisten und Journalisten, die bewiesen, dass mehr Informationen zu mehr Freiheit führen - sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Es gibt für alles eine obere Grenze. Erzählt man einem Wüstenbewohner, "es gibt kein Zuviel an Wasser", mag dieser vielleicht zustimmen. Weniger Zustimmung erhält man ganz sicherlich von Menschen, die in Hochwasser / Überschwemmungsgebieten wohnen.
Informationsflut ohne qualifizierende Bewertung führt keineswegs zu mehr Freiheit. Automatisierte Bewertungsschemen führen zu Hypes und Hyperlinkstürmen. Treue Anhänger einiger Alpha-Tierchen folgen als unreflektierende Abschreiberlinge im Fahrwasser, um auch ein paar Pünktchen auf der Skala abzubekommen. All dies hat nichts mit (einem Zugewinn an) Freiheit zu tun.

Für den Vergleich mit dem Buchdruck reicht eine Krücke schon nicht mehr aus, der braucht einen Rollstuhl.
Die Einzigen, die zu dieser Zeit die finanzielle und technische Leistung einer gewissen Massenproduktion erbringen konnten, war der Klerus, der damit eine Monopolstellung hatte. Dies betraf auch das "Was" zu Papier gebracht und vervielfältigt wurde. Von eben Klerikalen erfolgte auch die Übersetzung und Interpretation der Texte von der Kanzel aus. Bücher waren zu wertvoll, als dass sie sich die breite Öffentlichkeit hätte leisten können. Der Buchdruck änderte das in zwei Richtungen: es wurde kostengünstiger zu produzieren und damit kostengünstiger zu konsumieren. Dies brach die Monopole für Produktion und Meinungsbildung des Klerus und sorgte damit für mehr Freiheit. Mit den heutigen Medien und Medienproduzenten ist die Situation aber grundlegend anders.

Die Flut an Informationen führt heutzutage - ganz im Gegenteil - zu einer Beschränkung der Freiheit. Die Welt rückt enger zusammen, Distanzen werden als immer geringer empfunden. Damit passieren Ereignisse, die mehrere hundert Kilomenter entfernt stattfinden plötzlich gefühlt "vor der Haustüre". Hat man sich früher darüber unterhalten, dass es einen Diebstahl pro Jahr im Ort gab, redet man heute darüber, dass es Millionen von Diebstählen pro Tag auf der Welt gibt.
Die Konsequenz daraus ist eine zunehmende Existenzangst in der Gesellschaft, die von Politikern und ihren fiktiven Horrorszenarien von Terroranschlägen, zum eigenen Nutzen, noch weiter geschürt wird.

12. Tradition ist kein Geschäftsmodell.
Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele. Das wettbewerbsintensive Internet erfordert aber die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen. Journalismus braucht einen offenen Wettstreit um die besten Lösungen der Refinanzierung im Netz und den Mut, in ihre vielfältige Umsetzung zu investieren

Natürlich kann man über das Internet Geld mit Journalismus verdienen. Ein wenig zumindest. Ganz offensichtlich aber nicht genug, denn nicht einmal die Alpa-Tierchen sind alle völlig frei und unabhängig, sondern arbeiten - soweit ich das stichprobenweise überprüft habe oder es eh bekannt ist - genau für die Medienunternehmen, die sie so verdammen.
Wenn hunderte von Regionalzeitungen alle das Gleiche drucken, ist das kein Problem. Die meisten der Blättchen haben ein schnittmengenfreies Verteilungsgebiet oder zumindest eine schnittmengenfreie Leserschaft. Das Internet ist aber regionalfrei. Hunderte Webauftritte dieser Regionalzeitungen mit immer gleichen, ja sogar identischen Nachrichten, da von großen Agenturen übernommen, sorgen im Internet für keinerlei Aufmerksamkeit. Die Zeitung ist nicht mehr die Zeitung der Region, sondern eine von tausenden im Netz, mit den gleichen Meldungen wie alle anderen. Ein Internetauftritt einer Regionalzeitung ist deshalb kein Selbstläufer, sondern in der Regel ein Reinfall. Deshalb wird aber die Zeitung per se nicht sterben und muß sich auch nicht ändern - zumindest nicht für noch eine ganze Reihe von Jahren.
Aber ja, ein Wandel muß und wird stattfinden, aber ein Wandel in dem alle sich zum Gleichen wandeln wird wenig Erfolg versprechend sein.

13. Im Internet wird das Urheberrecht zur Bürgerpflicht.
Das Urheberrecht ist ein zentraler* Eckpfeiler der Informationsordnung im Internet. Das Recht der Urheber, über Art und Umfang der Verbreitung ihrer Inhalte zu entscheiden, gilt auch im Netz. Dabei darf das Urheberrecht aber nicht als Hebel missbraucht werden, überholte Distributionsmechanismen abzusichern und sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Eigentum verpflichtet.
*) Stilblüten-Alarm aufgehoben

Dagegen gibt es prinzipiell wenig zu sagen. Was mir aber fehlt ist der Umgang mit und die Lizensierung von z.B. staatlich bezahlten oder geförderten Abhandlungen und Forschungsergebnissen. Sollten nicht - um der Hebelwirkung vorzubeugen - die Inhalte möglichst frei lizensiert werden? Wo bleibt der Hinweis auf eine ethische und ehrenhafte Selbstverpflichtung? Sollte nicht trotz einer Creative Commons BY-SA Lizenz eine moralische Verpflichtung bestehen, dem Urheber nach einer erfolgreichen kommerziellen Verwertung durch Dritte zumindest eine angemessene Anerkennung zukommen zu lassen?

14. Das Internet kennt viele Währungen.
Werbefinanzierte journalistische Online-Angebote tauschen Inhalte gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften. Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert. Dieser Zusammenhang gehört seit jeher zu den grundlegenden Finanzierungsprinzipien für Journalismus. Andere journalistisch vertretbare Formen der Refinanzierung wollen entdeckt und erprobt werden.

Bisher kennt das Internet nur zwei Währungen: werbefinanzierte Angebote und bezahlte, geschlossene Benutzergruppen.
Werbung auf Seiten wird mit Werbeblockern effizient und effektiv ausgeblendet. Zudem führt die wenig individuelle Gestaltung der Seiten und die Einblendung der Werbung an immer den gleichen Stellen in immer gleichen Formaten sehr schnell zu "blinden Flecken" - zumindest bei den Vielsurfern, so dass selbst vorhandene Werbung nicht mehr bewusst wahrgenommen wird.
Es gibt allerdings auch noch die "Finanzierungsklicker", die erkannt haben, dass ein freier, werbefinanzierter Dienst nur funktioniert, wenn die Werbenden sich von der Werbung Erfolg versprechen. Deshalb klicken diese ein oder zweimal am Tag auf irgendwelche Werbebanner um die Finanzierung und damit die Freiheit des Dienstes zu sichern. Dies ist aber keienswegs ein Tausch von Inhalten gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften, denn die Aufmerksamkeit (und damit die Nachhaltigkeit) fehlt vollständig

15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.
Das Internet hebt den Journalismus auf eine qualitativ neue Ebene. Online müssen Texte, Töne und Bilder nicht mehr flüchtig sein. Sie bleiben abrufbar und werden so zu einem Archiv der Zeitgeschichte. Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren.

Nein. Aber ganz und gar nicht. Laufend veschwinden Daten aus dem Zugriff über das Internet und das ist auch gut so.

Um als Archiv der Zeitgeschichte zu funktionieren gehört aber etwas mehr dazu, als nur die Daten irgendwo zu haben.
Auch bei den herkömmlichen Medien müssen Daten nicht flüchtig sein. Tonnenweise lagern in Kellern, Speichern und Wohnungen alte Zeitungen, Zeitschriften, CDs, LPs, MusiCassetten, Tonbänder, Videocassetten, Fotoalben, Dias und nicht zuletzt Bücher. Ein riesiges Archiv der Zeitgeschichte. Und erst die Bibiotheken.

Fehler zugeben und transparent zu korrigieren hört sich in der Theorie ganz nett an. Das haben wir unter Phrase 6 schon gehabt.

16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.

Die Nutzer im Netz sind die gleichen wie im Fernsehen und anderen herkömmlichen Medien. Auch im Fernsehen gibt es mehr als genug gleichförmige Massenware mit einem riesigen Publikum. In dieser Beziehung gibt es keine Unterschiede zwischen dem Web und den altgedienten Medien. Beispiele? Mylie Cyrus 1,906,472 Followers auf Twitter, Ashley Tisdale 1,778,195, Katy Perry 1,047,939. Als einziges nicht-technisches Blog unter der Top 10 bei Technorati: "Celebrity Gossip | Entertainment News | Celebrity News | TMZ.com"
Und wieso nur "glaubwürdig"? Wieso nicht "wahrheitsgetreu", "sauber recherchiert" oder "vertrauenswürdig"?

17. Alle für alle.
Das Web stellt eine den Massenmedien des 20. Jahrhunderts überlegene Infrastruktur für den gesellschaftlichen Austausch dar: Die “Generation Wikipedia” weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen, Nachrichten bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen und zu recherchieren, zu überprüfen und zu gewichten – für sich oder in der Gruppe. Journalisten mit Standesdünkel und ohne den Willen, diese Fähigkeiten zu respektieren, werden von diesen Nutzern nicht ernst genommen. Zu Recht. Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte - und ihr Wissen zu nutzen. Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt.

Bei der letzten Phrase springt nun der Kasper vollends aus der Schachtel. Die "Generation Wikipedia" weiß gar nichts. Selbst Journalisten fallen gnadenlos auf Falschmeldungen herein und schreiben unreflektiert alles ab, so wie sie es von - auch nicht immer - verlässlichen Meldungen renommierter Nachrichtenagenturen gewohnt sind. Nun sind wir auch wieder weg vom Internet und hin zum Web.

Neben den Medien, also dem Transportkanal von den Machern zum Konsumenten, gibt es einen recht gut funktionierenden Rückkanal, der sich Telefon nennt. Viele Radiosender verwenden das seit Jahren um Zuhörer-Feedback zu erlangen oder die Zuhörer in die Gestaltung und den Ablauf der Sendung mit einzubinden.
Mit einem Telefon kann man nämlich auch telefonieren, nicht nur twittern, bloggen oder Videos bei youtube hochladen.

Das Fazit

Gerade mit der letzten Phrase führen sich die Alpha-Tierchen selbst ad absurdum. Das "Web", ein Dienst des Internet, wird als überlegene Technik dargestellt. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das "Web" mit den Anforderungen, die heute an Kommunikation gestellt werden, in seiner bestehenden Form nicht mehr mithalten können wird. Google hat mit Google Wave schon den ersten Schritt in eine neue Richtung getan, viele weitere werden folgen.

Das Internet ist ein mächtiges Transportmittel und die Dienste, die darüber transportiert werden verändern sich beinahe täglich. Webseiten von 1999 haben mit denen von 2009 fast nichts mehr gemein, ähnliches gilt für die Browser. Das gleiche gilt aber auch für viele anderen Dienste im Internet, das reich an Facetten ist: Datenaustausch (P2P-Netzwerke), Datenbackup, Cloud-Computing, ....

Die Unterzeichner der Phrasen outen sich, ohne sich dessen bewusst zu sein, als gar nicht so verschieden von den Machern der herkömmlichen Medien, die so verteufeln. Sie sind phantasielos, wenig zukunftsorientiert und verhaftet in einer Welt, in der sie sich als das sehen, was sie so lieben: Alpha-Tierchen.


Vielen Dank an jeden, der bis hierher durchgehalten hat oder zumindest noch bis zum Ende gescrolled ist :-)
Bisher mein längster und intensivster Artikel.

Die "Rhein-Zeitung" hatte eine tolle Idee ...

I only believe in statistics that I doctored myself.
-- Sir Winston Churchill

... wir machen eine Sonntagsfrage und wir machen es voll innovativ, wir machen sie im Internet.

So eine Sonntagsfrage hat ziemlich viel mit Statistik zu tun, vor allem, wenn das Ergebnis am Ende eine Aussagekraft haben soll. Wenn man Mathematik studiert hat, weiß man, dass Statistik nicht ganz einfach ist, dass es einen Grund gibt, weshalb es ein eigenes Studienfach ist und dass selbst Statistiker nicht immer wissen was sie tun und was sie eigentlich erfassen und wie sie es auswerten sollen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine solche Umfrage, initiiert von der Online-Redaktion einer Zeitung, von vorneherein zum Scheitern verurteilt, zumal sie wohl nicht über entsprechendes fachliches Know-How verfügt.

So kam es also wie es kommen musste, die Umfrageergebnisse waren offensichtlich alles andere als repräsentativ und diese Tatsache konnte neben der Online-Redaktion auch ein Blinder mit einem Krückstock erkennen.

Die Reaktion erfolgte prompt. Statt zu erkennen und einzugestehen, dass sie mangels Kontrolle des Stichprobenumfangs und der Internet-Technik niemals repräsentative Aussagen erhalten können, spielen sie beleidigte Leberwurst, ah nein, sie nennen es "feine Ironie", und sind sich auch nicht zu schade, alle Wähler der bereits im Parlament vertretenen Parteien einfach als "Alte" zu titulieren und zu disqualifizieren. Dann wird noch schnell ein Begriff wie IP-Spoofing in den Raum geworfen, denn das ist was, was ganz böse 1337 h4x0r machen. Dass HTTP über TCP und nicht UDP läuft und damit ein IP-Spoofing so gut wie ausgeschlossen ist, ist ein Fakt, den dieser Teil unserer ohnehin an Fakten wenig interessierten Medienlandschaft einfach mal unter den Tisch fallen läßt.

In einem Versuch, das Thema aufzuarbeiten, schreibt Jochen Magnus unter der Schlagzeile Internet-Flashmob sprengt Online-Umfrage im Blog der Rhein-Zeitung und macht es damit eher schlimmer als besser. Es handelte sich übrigens nicht um einen Flashmob, aber dass die Online-Redaktion der Rhein-Zeitung gerne willkürlich mit (wie sie sicher glauben negativ behafteten) Begriffen um sich wirft hatten wir ja schon festgestellt, darum ist das nicht weiter verwunderlich.

Binnen zweier Stunden waren die “Anderen” die Stärksten. Ein Bild, das natürlich nicht annähernd die Wirklichkeit außerhalb des Netzes widerspiegelt.
Was wohl herauskommt, wenn ich in einer katholischen Kirche eine Befragung zur Lieblingsreligion mache? Muß ich mich dann auch wundern, dass das Ergebnis nicht annähernd die Wirklichkeit außerhalb des Gebäudes widerspiegelt?
Damit uns der „normale Leser” nicht für verrückt erklärt, habe ich die Stimmen für “Andere” aus dem Ergebnis entfernt und mir den Scherz erlaubt, den “Piraten” und ihren Freunden eine eigene Abstimmung zu widmen: mit der garantierten Chance auf 100 Prozent! Aber diese feine Ironie ;-) kommt überhaupt nicht gut an, sind Piraten etwa humorbefreit?
Darf ich das mal übersetzen: Als uns klar geworden ist, was wir für Bockmist gebaut haben und damit unsere Leser nicht merken, dass wir die vollen Verlierer sind, haben wir eben mal ein Ergebnis gebastelt, das so aussieht, wie wir glauben, dass es sein sollte. Leider wurden wir bei dieser Manipulation erwischt und darum stellen wir jetzt Leute, die gegen derartige Manipulationen von Abstimmungsergebnissen sind, einfach als humorlose Vollidioten hin.
Es sollte jedermann klar sein, dass diese willkürliche Manipulation nur die Stimmen betroffen hat, von der die Online-Redaktion glaubt, dass sie offensichtlich "unpassend" sind. Alle anderen bleiben erhalten und gaukeln somit eine faire Abstimmung vor.
Mit diesem Vorgehen hätte die Online-Redaktion auch gleich ein fertiges Ergebnis einstellen und die Stimmen einfach wegwerfen können. Im Endeffekt besteht darin kein Unterschied, denn das jetzige Ergebnis ist ein von der Online-Redaktion frisiertes.
Die Manipulation von Wahlergebnissen hat nichts, aber auch rein gar nichts mit Humor oder Ironie zu tun.
[ ... ]wir verteidigen in allen Kommentaren die Freiheit des Netzes, schreiben für Datenschutz und führen seit fünf Jahren einen eigenen Wikipedia-Mirror! Wie setzen seit 15 (!) Jahren ausschließlich auf Linux und Open Source, schreiben gegen Software-Patente und ich habe selbst Software unter GPL freigegeben.
Jetzt bin ich total beeindruckt. Jetzt müssen PASCAL-Programme, die 2005 freigegeben wurden und die Verwendung kostenloser Software mit einem signifikanten Marktanteil, als Freibrief dafür herhalten, dass Daten nach Belieben verändert und verfälscht werden.
Jetzt nehmen wir Abschied von unserer guten (und wirklich alten) Umfrage, die zum heutigen Ansturm standgehalten hat. Eingeschmuggelte Stimmen wie „Die RZ stinkt”, sogar hineingeheimster JavaScript-Code, machen sie unbrauchbar. Das ist ein bisschen wie der Einbrecher, der dem Hausbesitzer die Schuld zuschiebt: Er hätte ja Sicherheitsschlösser verwenden können.
Das ist die Standardausrede bei mangelndem Sicherheitsbewusstsein und kommt immer dann, wenn die Karre im Dreck steckt: "Wir haben auf das Gute im Menschen vertraut und uns die ganzen Sicherheitschecks geschenkt, aber niemand hat das zu würdigen gewußt und alle sind so böse zu uns". Würde er sagen: "Sorry, wir haben es verbockt", würde das eine gewisse Einsicht ausdrücken. Derartige Äußerungen zeugen aber von einem grundsätzlich fehlenden Bewusstsein für Internet-Techniken und Sicherheit. Wäre ich sein Arbeitgeber, würden wir am Montag ein ernstes Gespräch führen, denn so eine Einstellung gefährdet massivst den gesamten Betrieb.
[...] und auch mal einen Scherz in Zeiten von Web 2.0 versuchen, auch wenn den nur die echten Piraten verstehen.
Aha, jeder, der die Aktion als nicht lustig befindet ist also automatisch ein unechter Pirat. Klar, und wenn wir wissen wollen, ob jemand ein "echter Pirat" ist fragen wir in Zukunft Herrn Magnus, die alleinige Kompetenz in Sachen Piraten.

Nur damit keine Mißverständnisse aufkommen: dieser Artikel ist humorvoll und mit feiner Ironie geschrieben und so werden das "echte Piraten" auch verstehen.

Die Ärzte, die Krankenhäuser, die Politiker

Da haben Ärzte doch tatsächlich Patienten an Krankenhäuser "verkauft". Ok, das ist sicher nicht nett, vielleicht sogar unethisch, aber genauso ein Geschäft, wie es viele Millionen Male in anderen Branchen täglich passiert. Sei es in nicht so ganz gesellschaftstauglichen Bereichen, wenn Taxi-Fahrer Liebesbedürftige an ihre Stamm-Bordelle fahren und dafür eine Vermittlungsprämie kassieren, sei es in diversen Clubs und Verbänden, die "Kooperationen" mit Bankinstituten, Kreditkarteninstituten oder Versicherungen schließen, wovon "ganz klar" die Mitglieder profitieren, die dadurch "Vergünstigungen" erhalten. Nein, nein, sonst profitiert da niemand davon, alles nur für die Kunden. Und natürlich ist es nur zum Besten der Menschen, wenn sich die Politiker mit Lobbyisten und Waffenhändlern treffen und sich von denen aushalten (Essen, Reisen, Urlaub, Prostituierte, ...) lassen.
Soviel zum "Außergewöhnlichen" derartiger Vorfälle.

Natürlich sind die Schreier schnell bei der Hand:

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD):
"Kumpanei zum Schaden der Versicherten"
Verstehe ich nicht. Haben wir nicht ein flächendeckendes System der gleichmässigen Gesundheitsversorgung mit garantiert hoher Qualität? Haben wir nicht fixe Kostensätze für Leistungen und Medikamente? Wieso ist dann ein Versicherter betrogen oder wird ihm Schaden zugefügt, wenn der Arzt einen Blinddarmpatienten statt in KKH A in KKH B einliefert, gerade wenn sie auch noch in der gleichen Stadt sind? Und wenn doch KKH B so mies ist und die Ärzte dort lauter Kurpfuscher, warum werden sie nicht rausgeschmissen? Und bin ich denn daran gebunden, dahin zu gehen, wohin der Arzt das gerne hätte? Nein. Eben!
Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD):
Beispiel Krebspatienten: "Sie müssen in die Klinik verlegt werden, die optimal für die Behandlung ihrer speziellen Krankheit geeignet ist, nicht in das Krankenhaus, das die meisten Bestechungsgelder auf den Tisch legt. Wer nicht optimal versorgt wird, geht ein höheres Todesrisiko ein. Da dürfen Patienten nicht vom Arzt versteigert werden, sondern sie müssen nach bestem Wissen und Gewissen an die geeignetste Klinik überwiesen werden."
(Quelle: Ad Hoc News)
Aha ... es gibt also Krankenhäuser, die nicht "optimal" für (Krebs-)Patienten geeignet sind. Was heißt denn "nicht optimal"? Und wieso dürfen Krankenhäuser überhaupt Patienten aufnehmen, für die sie nicht geeignet sind? Und woher weiß ich denn (oder der Arzt), ob ein Krankenhaus für den Patienten "geeignet" ist? (Ich bin kein Arzt, vielleicht muß man sowas als Arzt wissen, aber kennt jeder Arzt alle Fachbereiche aller Krankenhäuser und deren fachliche Bewertung? - glaube ich nicht). Im übrigen halte ich das Beispiel für mehr als konstruiert, aber als Experte, will man halt auch mal was Tolles daherlabern, was die Presse druckt, vor allem im Wahljahr.

Da stellen sich mir ein paar weitere Fragen;

  • Ist es denn auch böse, wenn im Erdgeschoß eines Ärztehauses auch gleich eine Apotheke ist?
  • Ist es böse, wenn ein Zahnarzt immer den gleichen Kieferorthopäden oder immer das gleiche Dentallabor beauftragt?
  • Ist es böse, wenn ein Arzt für die Auswertung von Blutproben immer das gleiche Labor beauftragt?
  • Ist es böse, wenn mir der Orthopäde eine Überweisung für eine CT ausschreibt und erwähnt, dass eine Praxis, die das machen kann, hier gleich um die Ecke ist?
  • Ist es böse, wenn ich mir jeden Monat für 500 € in immer der gleichen Apotheke Medikamente hole und dafür statt der Packung Papiertaschentücher schon mal ein Shampoo, eine Pflegecreme oder eine Packung Tee geschenkt bekomme?
  • Ist es denn in Ordnung, wenn ich als Patient auf ein Medikament verzichten muß, mit dem über die Jahre hinweg eine optimale Einstellung/Dosierung gefunden wurde und das jetzt zugunsten eines anderen Medikaments eines anderen Herstellers mit geringfügig (har har) anderer Zusammensetzung nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt wird und somit alles mehr oder weniger von vorne losgeht?
  • Ist es in Ordnung, wenn man die Kassenpatienten im Unklaren darüber läßt, wie teuer die Medikamente sind? Wenn man jahrelang selbst 5 € zuzahlt und dann feststellt, dass das Medikament (das man ja jetzt auch nicht mehr bekommt, weil zu teuer) gerade mal 5.65 € kostet (die Kassenleistung also gegen null geht, man aber 10 € Praxisgebühr für das Rezept an die Krankenkasse abdrückt) und man, fuer 0.65 € mehr, es auch weiterhin haben kann, wenn man auf die tolle Krankenkasse und ihre Pharma-Verträge pfeift?

Am besten gefällt mir in der Debatte bisher aber:

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU):
"Patienten sind keine Handelsware"
Anscheinend hat sie mit ihrer Kollegin Ursula von der Leyen zusammen die letzten 1000 Jahre unter einem Stein gelebt.
Seit wann sind Patienten keine Handelsware? Wie sonst könnte eine Arztpraxis einen Wert haben, gemessen an der Anzahl der Patienten? Oder ein Arzt eine Reputation basierend auf den klingenden Namen seiner Kunden? Solange ein Gesundheitssystem "wirtschaftlich" ausgelegt ist, sind Patienten immer "Handelsware". Das fängt schon beim Buhlen der Krankenkassen um Mitglieder an und hört nicht bei den Ärzten auf, die Patienten gegen Geld an Krankenhäuser verschachern.

Was ich aber äußerst bedenklich finde ist, dass das weder der Bundesgesundheitsministerin noch der Verbraucherschutzministerin klar zu sein scheint. Also kriecht doch einfach zurück unter den Stein oder fahrt doch wieder mal mit dem Dienstwagen in den Urlaub, aber haltet euch aus solchen Diskussionen und Entscheidungen einfach raus.

Und dann hätte ich gerne jemanden, der sich darum kümmert, dass man z.B. in München als Kassenpatient einen ganz simplen Termin beim Augenarzt zum Durchchecken unter 8 Wochen kriegt (schon erstaunlich, wo wir doch viel zu viele Ärzte haben) und ich hätte auch gerne, dass manche Ärzte ihr Kassenbudget nicht schon Mitte des Monats aufgebraucht haben und dann die Praxis zusperren könnten, weil irgendwelche Politiker und sonstige Bonzen sich irgendwelchen weltfremden Blödsinn ausdenken.