I only believe in statistics that I doctored myself.
-- Sir Winston Churchill
... wir machen eine Sonntagsfrage und wir machen es voll innovativ, wir machen sie im Internet.
So eine Sonntagsfrage hat ziemlich viel mit Statistik zu tun, vor allem, wenn das Ergebnis am Ende eine Aussagekraft haben soll. Wenn man Mathematik studiert hat, weiß man, dass Statistik nicht ganz einfach ist, dass es einen Grund gibt, weshalb es ein eigenes Studienfach ist und dass selbst Statistiker nicht immer wissen was sie tun und was sie eigentlich erfassen und wie sie es auswerten sollen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine solche Umfrage, initiiert von der Online-Redaktion einer Zeitung, von vorneherein zum Scheitern verurteilt, zumal sie wohl nicht über entsprechendes fachliches Know-How verfügt.
So kam es also wie es kommen musste, die Umfrageergebnisse waren offensichtlich alles andere als repräsentativ und diese Tatsache konnte neben der Online-Redaktion auch ein Blinder mit einem Krückstock erkennen.
Die Reaktion erfolgte prompt. Statt zu erkennen und einzugestehen, dass sie mangels Kontrolle des Stichprobenumfangs und der Internet-Technik niemals repräsentative Aussagen erhalten können, spielen sie beleidigte Leberwurst, ah nein, sie nennen es "feine Ironie", und sind sich auch nicht zu schade, alle Wähler der bereits im Parlament vertretenen Parteien einfach als "Alte" zu titulieren und zu disqualifizieren. Dann wird noch schnell ein Begriff wie IP-Spoofing in den Raum geworfen, denn das ist was, was ganz böse 1337 h4x0r machen. Dass HTTP über TCP und nicht UDP läuft und damit ein IP-Spoofing so gut wie ausgeschlossen ist, ist ein Fakt, den dieser Teil unserer ohnehin an Fakten wenig interessierten Medienlandschaft einfach mal unter den Tisch fallen läßt.
In einem Versuch, das Thema aufzuarbeiten, schreibt Jochen Magnus unter der Schlagzeile Internet-Flashmob sprengt Online-Umfrage im Blog der Rhein-Zeitung und macht es damit eher schlimmer als besser. Es handelte sich übrigens nicht um einen Flashmob, aber dass die Online-Redaktion der Rhein-Zeitung gerne willkürlich mit (wie sie sicher glauben negativ behafteten) Begriffen um sich wirft hatten wir ja schon festgestellt, darum ist das nicht weiter verwunderlich.
Binnen zweier Stunden waren die “Anderen†die Stärksten. Ein Bild, das natürlich nicht annähernd die Wirklichkeit außerhalb des Netzes widerspiegelt.Was wohl herauskommt, wenn ich in einer katholischen Kirche eine Befragung zur Lieblingsreligion mache? Muß ich mich dann auch wundern, dass das Ergebnis nicht annähernd die Wirklichkeit außerhalb des Gebäudes widerspiegelt?
Damit uns der „normale Leser†nicht für verrückt erklärt, habe ich die Stimmen für “Andere†aus dem Ergebnis entfernt und mir den Scherz erlaubt, den “Piraten†und ihren Freunden eine eigene Abstimmung zu widmen: mit der garantierten Chance auf 100 Prozent! Aber diese feine Ironie kommt überhaupt nicht gut an, sind Piraten etwa humorbefreit?Darf ich das mal übersetzen: Als uns klar geworden ist, was wir für Bockmist gebaut haben und damit unsere Leser nicht merken, dass wir die vollen Verlierer sind, haben wir eben mal ein Ergebnis gebastelt, das so aussieht, wie wir glauben, dass es sein sollte. Leider wurden wir bei dieser Manipulation erwischt und darum stellen wir jetzt Leute, die gegen derartige Manipulationen von Abstimmungsergebnissen sind, einfach als humorlose Vollidioten hin.
Es sollte jedermann klar sein, dass diese willkürliche Manipulation nur die Stimmen betroffen hat, von der die Online-Redaktion glaubt, dass sie offensichtlich "unpassend" sind. Alle anderen bleiben erhalten und gaukeln somit eine faire Abstimmung vor.
Mit diesem Vorgehen hätte die Online-Redaktion auch gleich ein fertiges Ergebnis einstellen und die Stimmen einfach wegwerfen können. Im Endeffekt besteht darin kein Unterschied, denn das jetzige Ergebnis ist ein von der Online-Redaktion frisiertes.
Die Manipulation von Wahlergebnissen hat nichts, aber auch rein gar nichts mit Humor oder Ironie zu tun.
[ ... ]wir verteidigen in allen Kommentaren die Freiheit des Netzes, schreiben für Datenschutz und führen seit fünf Jahren einen eigenen Wikipedia-Mirror! Wie setzen seit 15 (!) Jahren ausschließlich auf Linux und Open Source, schreiben gegen Software-Patente und ich habe selbst Software unter GPL freigegeben.Jetzt bin ich total beeindruckt. Jetzt müssen PASCAL-Programme, die 2005 freigegeben wurden und die Verwendung kostenloser Software mit einem signifikanten Marktanteil, als Freibrief dafür herhalten, dass Daten nach Belieben verändert und verfälscht werden.
Jetzt nehmen wir Abschied von unserer guten (und wirklich alten) Umfrage, die zum heutigen Ansturm standgehalten hat. Eingeschmuggelte Stimmen wie „Die RZ stinktâ€, sogar hineingeheimster JavaScript-Code, machen sie unbrauchbar. Das ist ein bisschen wie der Einbrecher, der dem Hausbesitzer die Schuld zuschiebt: Er hätte ja Sicherheitsschlösser verwenden können.Das ist die Standardausrede bei mangelndem Sicherheitsbewusstsein und kommt immer dann, wenn die Karre im Dreck steckt: "Wir haben auf das Gute im Menschen vertraut und uns die ganzen Sicherheitschecks geschenkt, aber niemand hat das zu würdigen gewußt und alle sind so böse zu uns". Würde er sagen: "Sorry, wir haben es verbockt", würde das eine gewisse Einsicht ausdrücken. Derartige Äußerungen zeugen aber von einem grundsätzlich fehlenden Bewusstsein für Internet-Techniken und Sicherheit. Wäre ich sein Arbeitgeber, würden wir am Montag ein ernstes Gespräch führen, denn so eine Einstellung gefährdet massivst den gesamten Betrieb.
[...] und auch mal einen Scherz in Zeiten von Web 2.0 versuchen, auch wenn den nur die echten Piraten verstehen.Aha, jeder, der die Aktion als nicht lustig befindet ist also automatisch ein unechter Pirat. Klar, und wenn wir wissen wollen, ob jemand ein "echter Pirat" ist fragen wir in Zukunft Herrn Magnus, die alleinige Kompetenz in Sachen Piraten.
Nur damit keine Mißverständnisse aufkommen: dieser Artikel ist humorvoll und mit feiner Ironie geschrieben und so werden das "echte Piraten" auch verstehen.
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