Goodbye Facebook

It's a maexotic world ...


Wow, das wird mein erster Blog-Post seit 4.5 Jahren

Ich spiele schon länger mit dem Gedanken, jetzt ist es raus: ich werde meinen Facebook Account zum 31.12.2020 löschen.

♫ But don't look back in anger ... ♫ [1]

Ich habe gerade in meinen Mails gesucht (und gefunden):

Date: Sun, 20 Apr 2008 11:06:37 -0700
From: Facebook 
Subject: Facebook Registration Confirmation

Hey Markus,

You recently registered for Facebook.  To complete your registration, follow this link:
http://confirm.facebook.com/c.php?code=xxxxxxxxxxxxxxxx

Facebook helps you communicate and stay in touch with all of your friends. Once you join Facebook,
you'll be able to share photos, plan events, and more.

Thanks,
The Facebook Team

Zu dieser Zeit war das sehr wahr und sehr wichtig.
Manche meiner Bekannten haben Mobile-Nummern und E-Mail-Adressen damals gefühlt öfter gewechselt als ihre Unterwäsche und Facebook bot eine Plattform, die eine Konstante, einen Ruhepunkt darstellte.
Durch die Regulierung der Rufnummernmitnahme hat sich das mit den Mobile-Nummern entspannt und E-Mail im privaten Bereich hat sich Dank sozialer Netzwerke ohnehin grösstenteils erledigt. Ich glaube, ich habe in den letzten 3 Jahren keine einzige rein private E-Mail mehr gechrieben oder erhalten.

Facebook hat mir auch sind ein paar wiedergefundene Menschen beschert, Menschen aus anderen Lebensabschnitten, zu denen ich den Kontakt verloren hatte. Leider bin ich jedoch in einer Altergruppe, in der der Anteil der internetaffinen Menschen nicht so allzu hoch ist.
Was mir Facebook aber auch beschert hat ist, dass ich Kontakte verloren habe. »Man ist ja eh auf Facebook« und tauscht deshalb keine Kontaktdaten aus. Entschliessen sich diese Menschen dann - so wie ich jetzt - Facebook aus ihrem Leben zu streichen, streichen sie auch viele lose Kontakte, wenn das von heute auf morgen passiert. Aus diesem Grund wollte ich jedem, der das will, eine Chance geben mit mir in Kontakt zu bleiben und habe eine Reihe von Kontaktmöglichkeiten veröffentlicht, die hoffentlich Bestand haben werden.
Ein »IT Guy« mit eigener Domain und einem prinzipiellen Interesse an Internet/Web und dessen Entwickungen zu sein ist dabei dann doch hilfreich.

»Come to the dark side, we have cookies«

Facebook stand mehrmals und steht immer noch in der Kritik für den Einsatz von Cookies und damit verbundener Tracking-Techniken. Das meine ich aber gar nicht.

Facebook hat die Menschen eingelullt:

  • komm zu uns und spiele mit anderen
  • komm zu uns und teile Deine Bilder (fun fact: FB hatte mehr daily uploads als selbst flickr zu seinen besten Zeiten)
  • komm zu uns und poste was Du gerade machst (hallo twitter)
  • komm zu uns und teile mit anderen was Du gerade irgendwo liest (der Anfang allen Ãœbels)
  • komm zu uns und bau Dir eine Präsenz für Deine Firma / Organisation / Unternehmung
  • komm zu uns und gib uns Deine Veranstaltungen

Und im Gegenzug

  • komm zu uns und wir geben Dir Werbung
  • komm zu uns und wir analysieren Dich zu Tode
  • komm zu uns und wir geben Deine Daten jedem, der sie kaufen will
  • komm zu uns und wir filtern was wir denken, was Du wissen solltest, was Deine Freunde machen
  • komm zu uns und wir bauen Dir eine tolle Filterblase
  • komm zu uns und eigentlich kümmern wir uns einen Scheiss und haben nichts im Griff

und alles das fuktioniert total easy:

[...] aber eine Veranstaltung zu erstellen ist halt auf FB super easy - sowohl für Künstler als auch Veranstalter

Damit hat Facebook (und zu dieser Zeit auch Google) die Blogosphäre weitgehend zerstört. Ein ganzes Ökosystem aus Blogs, Feedreadern, Protokollen wie RSS, ATOM. PubSubHubbub und Anbeiter wie Technorati, twingly, IceRocket aber auch Googles eigenes Produkt Google Reader wurden zur Bedeutungslosigkeit verdammt oder gar eingestellt.

Ein weiterer Todesstoss für die Blogsphäre war, dass Google Chrome und Mozilla Firefox den Indikator [2] entfernt haben, dass eine Website einen Feed anbietet. Immerhin konnte man sich bei Mozilla dazu durchringen, dass Thunderbird weiterhin als Feedreader funktioniert.

Fairerweise muss man sagen, dass es durchaus noch eine Blogosphäre gibt und mit Diensten wie feedly, Inoreader, Feedspot, ... kann man sehen, dass sie lebt.
(Weisst Du, dass YouTube oder Vimeo die Subscriptions für Channels auch als Feeds anbieten?)

Diese selbstgewählte Abhängigkeit ist mittlerweile tief in die Strukturen des Internet und dessen Verständnis vergraben. Ich folge 150+ Künstlern auf Facebook und habe dies genutzt, um über deren Events einen Terminkalender zu pflegen und Konzerte zu besuchen.
Ich habe alle diese Künstler abgegrast, die Websites (so sie nicht nur eine FB-Präsenz haben) besucht und nach Feeds gesucht. Das Ergebnis war desaströs: von 165 Künstlern hatten gerade mal 8(!) einen halbwegs aktuellen Newsfeed (viele trotz einer Wordpress-basierten Website einen leeren; aktuelle Infos auf der Website Fehlanzeige, keine Termine, ...). Aber das ist nochmal ein anderes Thema.

Goodbye ...

Warum?

Zuallerst und am Wichtigsten:
Wie sagt man so schön? Facebook ist für mich mittlerweile toxisch. Es nervt, es ödet mich an und es zieht mich runter.

Und nein, ich will das nicht alles in meinem Kopf ausfiltern und ignorieren. Ich will es nicht mehr in meinem Leben haben.

Facebook ist zu einer Propaganda-, Hass- und Betrugsmaschinerie geworden, schlimmer als es das USENET jemals war. Es ist voll von Sockenpuppen, Fake-Accounts und gesteuerter Propaganda [3, 4] und Facebook sieht sich auch nicht in der Rolle oder Verantwortung etwas dagegen zu unternehmen [5].

Der News Feed-Algorithmus von Facebook nervt ohne Ende und ich kann ihn nicht konfigurieren.

  • Ich will alles sehen, was Freunde von mir auf ihrer Timeline posten.
  • Ich hätte dies gerne in einer zeitlich stringenten Abfolge, nicht durcheinander
  • Ich hätte gerne zwei Feeds:
    1. Eigene Inhalte meiner Freunde
    2. Geteilte Inhalte meiner Freunde>

    Ganz ehrlich? Wenn ich Ruthe lesen will, dann "like" ich die Page. Ich muss nicht jeden Ruthe-Post geshared bekommen. Und wenn ich ihn abonniert habe, schon gleich gar nicht. Sowas kann man programmatisch lösen, hat aber natürlich auch einen starken sozialen Faktor.

  • Ich würde gerne Posts nicht 20mal sehen. Wenn ein Freund einen Artikel shared und ich den gesehen habe, brauch ich nicht einen neuen Eintrag, dass ein weiterer Freund das jetzt auch geshared hat.
  • Ich will es nicht sehen, wenn Freude sonstwo einen Kommentar darunter schreiben.
    Das ist das Schlimmste.
    Einer meiner Freunde antwortet einem hirnlosen, Dunning-Kruger-verseuchten VollHONK und FB hat nichts besseres zu tun, als es mir permanent unter die Nase zu reiben. Ich will es nicht sehen!

An nichts von dem wird Facebook etwas ändern. Was zählt und Geld bringt sind Verweildauer, die Anzahl der möglichen Werbeeinblendungen (je mehr Artikel im News Feed, desto mehr Werbung kann man dazwischen mischen), Engagement, Reach und Page Likes.
Schürt man den Hass und Zwiespalt, steigen alle diese Werte. Deshalb hat Facebook auch geringes Interesse daran Fake News zu reglementieren oder seine ToS konsequent durchzusetzen.

»If you see fraud and do not say fraud, you are a fraud.«
-- Nassim Nicholas Taleb

Ich kann gar nicht mehr zählen,

  • wieviele Marken-Fake Pages ich schon gesehen habe
  • Pages mit hundertausenden Likes und Shares, um ein iPhone zu gewinnen, dessen Verpackung fehlerhaft ist
  • voll ausgerüstete Mini-Vans, Mini-Häuser, Küchen, ... alles für ein Like und Share und das Markieren von Freunden
  • Posts, in denen gehackte Accounts, per Paypal, Eintrittskarten für kostenlose Konzerte verkaufen
  • all die dämlichen »was für ein ... bist Du«-Spiele mit denen die Anbieter - versteckt durch augenscheinlich arglose Fragen - Meta-Daten abgreifen (Name des Haustiers, Geburtsort, ...) und damit den FB-Account (oder andere) hacken und sich Zugriff und die Erlaubnis zum Posten bei Facebook erschleichen.

Man kann sich jetzt auf den Standpunkt stellen, dass wenn jemand 5 Sekunden darüber nachdenkt, man das erkennen und ... ach reden wir nicht drüber.

All das ist offensichticher, (programmatisch) leicht zu erkennender Betrug.
Aber:

  • Facebook tut nichts dagegen.
  • Wenn man diese Accounts, Pages oder Posts meldet, kommt immer das lapidare »verstösst nicht gegen unsere ToS« als Antwort.
  • Hey, es ist zwar unsere Plattform, wir verdienen das Geld damit, aber wir sind doch nicht dafür verantwortlich.

... and thanks for all the fish

Die Entscheidung geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge einher.

Lachend, weil ich gemerkt habe, dass es mir einfach (mental) soviel besser geht, wenn ich nicht immer wieder in den Strudel von Verschwörungstheoretikern und ähnlich geistreichen Zeitgenossen hineingezogen werde. Der Unterschied ist wirklich gravierend.

Weinend, weil

  • es für zwölfeinhalb Jahre teil meiner täglichen Routine war
  • mir klar ist, dass die Interaktion mit meinen Facebook-Freunden massiv einbrechen wird
  • ich mich damit - und das wird die für mich einschneidenste Auswirkung sein - von den ganzen Events abschneide (siehe oben). Diese Konzerte (ich hatte im Januar, Februar und bis Anfang März 2020 an die 60+ Gigs besucht) waren in den letzten Jahren ein wesentlicher Bestandteil meiner Work-Life-Balance. Dafür habe ich bisher keine Lösung.

♫ ... Don't you know you might find, A better place to play ♫ [1]

Ich bereue nichts (und das ist denke ich das Wichtigste).

Danke für die überwiegend schöne Zeit mit euch auf Facebook, die Hilfe und Unterstützung, die ich durch euch erfahren durfte und ... meet you on the byte stream




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