Der Internet-Revival-Zyklus beträgt 17 Jahre

It's a maexotic world ...


Unter "Revival" versteht man in der Modebranche, wenn sich ein Modetrend nach einer Anzahl von Jahren wiederholt. Während er in der Modebranche wohl so eher um die 10 Jahre liegt, dauert er Zyklus - wie wir jetzt wissen - im Internet 17 Jahre und das ist auch die neue Definition für eine Epoche: 17 Jahre.

Gerade überschlagen sich die Medien ob der Vorfälle in Mumbai und der Berichterstattung:

Was ist passiert? In Mumbai, irgendwo in Indien, haben Terroristen Luxushotels überfallen, rumgeballert, ein paar Leute erschossen, ein paar als Geiseln genommen und ein paar Sachen hochgejagt. 0/8/15 Nachrichten, die - wenn sie anderswo auf der Welt passieren, so wie z.B. fast täglich im Irak oder Afghanistan - niemanden mehr wirklich hinter dem Ofen vorlocken (vor allem zu dieser Jahreszeit).

Gerade ist aber wohl wieder einmal Sauere-Gurken-Zeit, also starten wir einen Hype. Dumm nur, dass Mumbai nicht so im Fokus der ganzen Nachrichtendienste liegt, darum sind die Quellen vor Ort dünn gesät.

Doch dann passiert das epochale, innovative, nie dagewesene: Internetbenutzer berichten vor Ort per twitter und flickr und per blogs. WOW!

In einem Interview bezeichnet Jeff Jarvis, Blogger, Medienberater und Journalismus-Professor aus New York (Jeff who?) das Ganze sogar als eine "epochale Veränderung des Nachrichtenflusses".

Tja, hätten die ganzen Medien-Fuzzis mal ihre Hausaufgaben gemacht. Nicht so viel bei twitter rumhängen und sich Müll zuzwitschern lassen, sondern im Internet mal ein bißchen recherchieren oder mal wieder ein Buch lesen, z.B. das von Howard Rheingold mit dem Titel "The Virtual Community". Ich gebe zu, das Buch ist schon ein bißchen älter, aus einer Zeit vor der großen Ära, aber hallo, Howard Rheingold sollte, nein muß man einfach kennen. Und dann kommt man in dem Bereich auch nicht an Elizabeth M. Reid und ihrer Arbeit "Electropolis: Communication and Community on Internet Relay Chat" vorbei.

Vor 17 Jahren hatten wir das alles schon mal. Die ersten Indizien waren, dass im Internet die Gates ins MILnet (das amerikanische Militärnetz) runtergefahren wurden. Das war ca 12 Stunden bevor die Amis und deren Verbündete den "Desert Storm" Krieg anzettelten.

Und dann ist im IRC etwas passiert. Ganz ohne twitter, flickr und ohne Web2.0 und Web überhaupt: Es gab plötzlich einen channel names "report". Bekanntgemacht durch ein paar broadcast messages von Ops haben sich dort die Leute zusammengefunden, teilweise ein paar Tausend. Es gab "übersetzte" Berichte aus dem Fernsehen und live Reportagen von Leuten z.B. in Tel Aviv. Und ich denke ich werde es nie vergessen, als der Student aus Tel Aviv schreibt, dass ihm eben die Tasse vom Tisch gefallen ist, ob der Erschütterung durch die Explosion einer irakischen SCUD-Rakete, die den nagelneuen Patriot-Abwehrschirm der Amerikaner durchschlagen hat und nur ein paar Häuser weiter eingeschlagen ist. Mitverfolgt habe ich das mitten in der Nacht, eingewählt über einen 300 Baud Akkustikkoppler.

Für viele Internetnutzer hat also die "epochale Veränderung des Nachrichtenflusses" zumindest schon vor 17 Jahren begonnen. Sie hat aber nicht im Klicki-Bunti-Umfeld stattgefunden, sondern in einem ganz unbunten Bereich des Internet. Traurig nur, dass dieser wirklich große Bereich des Netzes an den ganzen selbstgefälligen Medien-Fuzzis offensichtlich total vorbeigegangen ist und immer noch geht.

Zum Nachlesen gibt es die Reports von damals bei ibiblio.org. Den LogServ dazu hat übrigens damals Armin Gruner geschrieben.




Comments

    • Posted byDow Jones
    • on
    > Und dann ist im IRC etwas passiert. Ganz ohne twitter, flickr und ohne Web2.0 und Web überhaupt:
    > Es gab plötzlich einen channel names "report".

    Wow, ist das wirklich schon 17 Jahre her - eigentlich unglaublich, wie lange das schon her ist. ;-)

    Grüße, Dowie
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